SG ROT WEISS: Hallo Nathalie, schön dass du dir die Zeit genommen hast. Du bist ja jetzt zum Schuljahresanfang wieder mehr unterwegs. Kannst du dich denn noch an die ersten Eindrücke erinnern?
Nathalie: Ja, das war erst mal ein wenig Stress im positiven Sinne, eine Hürde, die man nehmen musste. Dies hat mit dem Rollenwechsel zu tun. War ich als Schülerin in einer mehr passiven Rolle bei der Gestaltung, habe ich nun die Seite gewechselt und sitze damit am Steuer, bin aktiv in der Gestaltung der Stunden, der Übungen. Es ist auch ein Rollenwechsel, der erlernt werden will. Das ganze Auftreten ist, wird anders. Es ist nicht hilfreich seine neue Rolle zu spielen, die Kinder nehmen Unterschiede war. Die Rolle will gelebt sein und man sollte dahinterstehen. Klar kommt eine gewisse Sicherheit im Umgang mit den Kindern auch mit mehr Übung. Übung und Training machen viel aus. Doch den Respekt erarbeitet man sich. Da musste ich von der ersten Stunde an direkt ran.
SG ROT WEISS: Woooh, das hört sich nach einer starken Erfahrung an. Wie kam es eigentlich, dass du auf uns aufmerksam geworden bist?
Nathalie: (Lachend) Der Weg war nicht weit, über meinen Bruder, der zufällig hier Handball spielt und natürlich über das Internet.
SG ROT WEISS: Das stimmt allerdings. Wie ist es dir denn mit deiner Arbeitsstelle ergangen, die einige Anlaufpunkte hat? Wo man am Vormittag oder auch am Nachmittag in Veranstaltungen oder Übungen ist?
Nathalie: Nach der Schule ist dies meine erste Arbeitsstelle. Es war sehr praktisch, weil es meinem intensiven Handballleben mit 4x Training pro Woche in Weiterstadt sehr entgegen kommt. Und dies ist schon ein einfacheres Leben, vorher war ich bei Bensheim in der Jugend des Damenbundesligisten unterwegs (grinst).
SG ROT WEISS: Also da warst du mit Sicherheit mehr unterwegs als hier im Ort. Gab es Punkte die dich in deinem Arbeitsleben mehr gefordert haben?
Nathalie: Auf jeden Fall hatte ich vor Busfahrten mit der JuFö bei den ersten Male einen ordentlich Respekt. Es ist schon ein Erlebnis mit diesem Geräuschpegel von den Kindern in einem Kleinbus zu fahren; Respekt an alle Schulbusfahrer.
SG ROT WEISS: War dieser Schritt ins Arbeitsleben über die FSJ-Stelle einer ins Ungewisse?
Nathalie: Ja und Nein. Nein, ganz klar hatte ich mich vorher informiert und auch meine Vorgängerin Selina getroffen und mich mit ihr austauschen können. Ja, weil es auch eine Orientierungsphase war, in der ich etwas mit Sport machen konnte. Handball ist klar mein Ding, da hat es mit der ROT WEISS toll gepasst. Der Umgang mit Kindern in vielen unterschiedlichen Situationen war eine gute und wichtige Erfahrung. Diese hat mir in meiner Entscheidung gegen das Lehramt und für die Sportwissenschaften (Bachelor of Arts) sehr geholfen.
SG ROT WEISS: Das Jahr hat dir also auf jeden Fall etwas gebracht. Wie ist es dir denn so über das Jahr ergangen? Welche Erfahrungen haben dich beeindruckt?
Nathalie: Einige Erfahrungen und das Erleben der Kinder in Aktion waren einmalig. Man wird als Person von den Kindern sehr stark wahrgenommen und geschätzt. Es ist ein prima Gefühl, wenn sich die allermeisten Kinder einer Klasse freuen mich zu sehen. Auch die Emotionen der Kinder, die noch sehr ungefiltert kommen, zu bändigen ist eine Aufgabe, welche man erst einmal als solche wahrnehmen muss. Oder man steht vor Situationen, die man sich vorher gar nicht ausdenken konnte, wie in einer Schule, wo während der AG-Zeit ein Quatschkopf ein Wasserbecken geflutet hat. Was tut man mit so jemanden? Wie geht man damit um? Da steht man in der Verantwortung und muss blitzschnell eine Entscheidung treffen. Zum Glück standen die anderen Lehrer und die Schulleitung hinter mir, wenn einem solche Momente den Spaß verderben.
SG ROT WEISS: Gab es auch andere „schönste“ Erlebnisse?
Nathalie: Die Kinder im Schulhof begeistern zu spielen, sich zu bewegen, war immer wieder herrlich. Etliche Kinder konnten hinterher richtig gut einen Ball behandeln oder hatten keine Angst mehr mit einem Ball zu spielen. Auch meine Begeisterung rüberzubringen und zu sehen, wie sich Kinder für Ballspiele begeistern können, hat mich motiviert.
SG ROT WEISS: Gab es auch AHA-Erlebnisse?
Nathalie: Klar, wenn man ein Spiel zum Aussuchen anbietet, dann wird auf einmal vor dem Spiel viel besser mitgemacht. Trivial, aber hat funktioniert.
SG ROT WEISS: Wie erging es dir in deiner zweiten Hälfte des FSJ-Jahres? Also in der Ausnahmesituation mit der Corona-Pandemie? Eine Sondersituation, die man so nicht vorhersehen konnte. Was hat es für dich und deine Schulungen bedeutet? Du hast ja jetzt beides erlebt, Schulungen, Events, Trainingseinheiten vor und unter den Bedingungen der Coronapandemie.
Nathalie: Die ganzen Kurse, die Praxis fielen auf einmal weg. Das war sehr traurig, so ganz ohne Kontakt zu den Kindern. Doch in der Jugendförderung gab es ein paar Dinge aufzuräumen und einige theoretische Dinge zu tun, wie einen Ordner zum Thema „Ballgewöhnung und Handball“ für die Grundschulen zu erstellen. Da konnte ich einige Ideen von meinen Betreuern mit umsetzen. Schade war es auch für meine Ausbildung. Man hat ja fünf Wochen Seminar, die zur Ausbildung gehören und zum Übungsleiterschein führen. Die ersten drei Seminare waren normal und ich fand sie gut, man konnte viel für die Praxis mitnehmen. Dann ist ab März erst einmal alles ausgefallen. Es gab Infos per Email und Dinge, um die man sich dann selbst kümmern musste, wie zum Beispiel den Erste-Hilfe-Schein, welcher nicht mehr über das Seminar stattfinden konnte.
SG ROT WEISS: Wie ist dein Tipp für deine Nachfolger*innen, die mit Corona leben und arbeiten müssen?
Nathalie: So viel wie möglich praktische Erfahrung sammeln und Kursangebote wahrnehmen. Die Kurse der Heidelberger Ballschule waren ein prima Einstieg für das Lernen des Lehrens von Sportübungen.
SG ROT WEISS: Und wie sind allgemein deine Tipps / Empfehlungen für deine Nachfolgenden?
Nathalie: Sei du selbst, aber trete bestimmt auf und sage den Kindern, wo es lang geht. Ansonsten wird nachher das wieder einfangen schwieriger, wenn man sich auf zu viel einlässt. Man muss lernen die Gruppe zu leiten und zu führen.
SG ROT WEISS: Wie ist dein persönliches Resumee?
Nathalie: Das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) hat mich persönlich weitergebracht. So macht mir das Auftreten in der Öffentlichkeit, auch vor Gruppen jetzt nicht mehr viel aus. Die Praxis, das Anwenden von sportlichen Dingen hat mich glücklich gemacht. Auch für meine nähere Zukunft hat es mir etwas gebracht, weil ich unterscheiden konnte zwischen dem Sport und den beruflichen Möglichkeiten. So konnte ich Erfahrungen in vielen Bereichen sammeln.
SG ROT WEISS: Wir danken dir für das Gespräch und wünschen dir für deine Zukunft alles Gute.
Das Interview haben wir an einem sonnigen Nachmittag im August 2020 im Eiscafe Galileo aufgezeichnet.